Über 5,7 Millionen Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig. Rund 80 % von Ihnen werden Zuhause, meist von den eigenen Angehörigen, versorgt. Das ist keine Selbstverständlichkeit sondern ein Ausdruck von Liebe, der für Angehörige meist mit einem extremen Einschnitt ins eigene Leben verbunden ist.
Wer vom einen auf den nächsten Tag plötzlich einen Angehörigen pflegt, steht vor vielen Fragen und Herausforderungen. Um bei der idealen Gestaltung der Pflege zu unterstützen, werden wir Sie in diesem Artikel über die wichtigsten Punkte zur Pflege eines Angehörigen aufklären. Im Fokus steht dabei insbesondere der Umfang der Pflege, Leistungen der Pflegekasse und spezielle Rechte für pflegende Angehörige.
Definition: häusliche Pflege
Unter häuslicher Pflege versteht man grundsätzlich die Betreuung und Versorgung pflegebedürftiger Personen in ihren eigenen vier Wänden statt in einer Pflegeeinrichtung. Ausgeführt werden kann sie von Familienangehörigen, Bekannten, Nachbarn aber auch professionellen Pflegediensten. Typische Bestandteile der Pflege sind in der Regel die Unterstützung bei der Körperpflege, die Hauswirtschaftliche Versorgung, die Behandlungspflege (Medikamentengabe, Wundversorgung etc.) und die Aktivierende Pflege (Bewegung, Gedächtnistraining).
Wenn Sie als Angehöriger gerne selbst pflegen möchten, sich aber nicht dazu in der Lage fühlen alle Aufgaben zu übernehmen, besteht die Möglichkeit der Kombinationsleistung. Dabei wird ein Teil der Leistungen durch professionelle Pflegedienste und der andere Teil durch Angehörige übernommen.
Festlegen der Rahmenbedingungen
Bevor Sie sich dazu entscheiden einen Angehörigen zu Hause zu pflegen, ist es wichtig, dass sich alle in der Pflege involvierten Personen folgende Fragen stellen:
- – Wie hoch ist der Pflegaufwand? Braucht die pflegebedürftige Person ganztägige Betreuung oder nur einige Stunden pro Tag? Ist die Pflege dauerhaft oder nur vorübergehend?
– Liegen Tätigkeiten wie Intimpflege im Bereich Ihrer Möglichkeiten oder benötigen Sie dabei professionelle Unterstützung?
– Wer kann Sie unterstützen und sind alle Beteiligten damit vorerst auf unbestimmte Zeit einverstanden?
– Soll die Pflege in Ihrer Wohnung oder der Wohnung der pflegebedürftigen Person erfolgen? Sind dafür Umbauten notwendig?
Im Anschluss daran kann ein genauer Plan entworfen und entschieden werden, in welchem Umfang die häusliche Pflege durch Angehörige oder externe abgebildet werden soll.
Die Basis: Pflegegrad beantragen
Unabhängig von der Pflegeart für die Sie sich schlussendlich entscheiden, ist die Basis für alle Unterstützungsleistungen die offizielle Anerkennung eines Pflegegrads durch die Pflege- bzw. Krankenkasse.
Um einen Pflegegrad zu beantragen, müssen Sie eine formlose Anfrage an Ihre Krankenkasse senden. Im Anschluss daran schickt die Kasse einen Gutachter des Medizinischen Dienstes oder von Medicproof zu Ihnen nach Hause, um den Pflegeaufwand und Zustand der pflegebedürftigen Person einzuschätzen. Dokumentieren Sie dafür im Vorhinein detailliert den täglichen Ablauf und die Aufgaben bei denen Hilfe benötigt wird.
Finanzielle Entlastung für pflegende Angehörige
Je nach Pflegegrad stehen der pflegebedürftigen Person und ihren Angehörigen unterschiedlich hohe finanzielle Zuwendungen zu, die Sie bei der Pflegekasse beantragen können.
Jedem Menschen mit Pflegegrad steht ein monatlicher Entlastungsbetrag von 131 Euro zu. Dieser kann für Angebote wie Haushaltshilfen, Betreuungsdienste oder Tagespflegen eingesetzt werden, jedoch müssen die Angehörigen dafür in der Regel in Vorkasse gehen und die Rechnungen im Nachgang bei der Pflegekasse einreichen.
Ab Pflegegrad 2 aufwärts steht jeder Person, deren Pflege komplett oder zum Großteil ohne ambulanten Pflegedienst stattfindet, monatliches Pflegegeld zu. Dieses beträgt je nach Stärke der Beeinträchtigung zwischen 347 und 990 Euro. Das Pflegegeld kann von der pflegebedürftigen Person komplett oder teilweise an pflegende Angehörige ausgezahlt werden und soll zur Erleichterung der Pflegesituation sowie der Entschädigung der Pflegenden genutzt werden.
Sollten Sie sich für eine Kombinationsleistung entscheiden, also eine Mischung aus häuslicher Pflege durch Angehörige und ambulanten Sachleistungen durch einen Pflegedienst, stehen Ihnen anteilig sowohl Pflegegeld als auch Pflegesachleistungen zu. Der Betrag des Pflegegeldes ist dabei von den Pflegesachleistungen abhängig. Ihr Anspruch auf Pflegegeld verringert sich prozentual um den Anteil der ausgeschöpften Pflegesachleistungen.
Beispiel: Max hat einen Pflegegrad von 2 und nimmt in einem Monat 557 Euro Pflegesachleistungen in Anspruch. Das entspricht ca. 70% seines Anspruchs von 796 Euro. Er erhält über die Kombinationsleistungen 30% seines maximalen Anspruchs auf Pflegegeld von 347 Euro. Das entspricht einem Pflegegeld von 104 Euro.
Leistungsbeträge für Pflegeleistungen 2025
Übersichtstabelle mit den aktuellen Leistungen je nach Pflegegrad
Weitere Hilfen für pflegende Angehörige
Verhinderungspflege & Kurzzeitpflege
Jährlich steht Pflegebedürftigen, die Zuhause gepflegt werden, ab Pflegegrad 2 ein Gesamtbetrag von 3.539 Euro für die Verhinderungs- und Kurzzeitpflege zu.
Bei Verhinderungspflege handelt es sich um die Vertretung einer eingetragenen Pflegeperson, beispielsweise im Fall von Krankheit oder Urlaub. Von Kurzzeitpflege spricht man, wenn eine pflegebedürftige Person vorübergehend vollstationär gepflegt werden muss. Das kann zum Beispiel nach einem Krankenhausaufenthalt oder wenn die häusliche Pflege zeitweise nicht, noch nicht oder nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden kann der Fall sein. Die Kurzzeitpflege kann in Kurzzeitpflege-Einrichtungen, Pflegeheimen oder teilweise auch im Krankenhaus stattfinden.
Insgesamt können beide Leistungen jährlich für eine Dauer von 8 Wochen in Anspruch genommen werden.
Pflegezeit
Wenn Sie einen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen, der mindestens einen Pflegegrad von 1 hat, besteht die Möglichkeit, eine Pflegezeit in Anspruch zu nehmen. Darunter versteht man eine teilweise oder komplette Freistellung der wöchentlichen Mindestarbeitszeit von Ihrem Arbeitgeber von bis zu 6 Monaten.
Für die Inanspruchnahme von Pflegezeit gilt eine Ankündigungsfrist gegenüber dem Arbeitgeber von 10 Arbeitstagen. Rechtlich bindend wird der Anspruch in der Regel ab einer Betriebsgröße von 15+ Mitarbeitern.
Familienpflegezeit
Im Rahmen der Familienpflegezeit können Sie sich für bis zu 24 Monate teilweise von der Arbeit freistellen lassen. Ihr Stunden können Sie auf ein Mindestmaß von 15 Wochenstunden reduzieren. Voraussetzung dafür ist, dass es sich bei der pflegebedürftigen Person um einen nahen Angehörigen handelt, der einen Pflegegrad von mindestens 1 hat, und Sie diese Person in häuslicher Umgebung pflegen.
In der Regel tritt dieser Rechtsanspruch in Betrieben ab 25+ Mitarbeitern in Kraft. Bei kleineren Unternehmen kann die Familienpflegezeit freiwillig gewährt werden. Die Anmeldefrist beim Arbeitgeber beträgt 8 Wochen vor Beginn der Familienpflegezeit.
10 Tage Sonderurlaub
Um eine akute und plötzliche Pflegesituation eines nahen Angehörigen zu organisieren, haben Beschäftigte unabhängig von der Unternehmensgröße jährlich einen Anspruch auf bis zu 10 Tagen Sonderurlaub. In dieser Zeit besteht kein Anspruch auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber, Sie können jedoch eine Lohnersatzleistung in Form von Pflegeunterstützungsgeld bei der Pflegekasse beantragen. Dieses ist ebenfalls auf bis zu 10 Tage pro Kalenderjahr begrenzt. Sie erhalten dabei in der Regel 90% Ihres Nettoarbeitsentgelts, maximal 128,63 Euro pro Tag. Um das Pflegeunterstützungsgeld zu erhalten, muss ein Antrag inklusive ärztlicher Bescheinigung der Pflegebedürftigkeit bei der Pflegekasse eingereicht werden.
Rentenpunkte für die Pflege von Angehörigen
Für die häusliche Pflege eines nahen Angehörigen können Sie Rentenpunkte erhalten. Folgende Kriterien müssen dafür erfüllt sein:
– Die pflegebedürftige Person muss einen Pflegegrad von mindestens 2 haben.
– Sie leisten eine wöchentliche Pflegezeit von mindestens 10 Stunden an mindestens zwei unterschiedlichen Tagen.
– Sie arbeiten nicht mehr als 30 Stunden pro Woche.
Wenn alle Kriterien erfüllt sind, übernimmt die Pflegekasse in dieser Zeit Ihre Rentenbeiträge. Auch wenn Sie nicht sozialversicherungspflichtig berufstätig sind, gilt die Zeit der Pflege dann als Beitragszeit für Ihren Rentenanspruch.
Gesetzliche Unfallversicherung
Sie sind als Pflegeperson eines nahestehenden Angehörigen beitragsfrei gesetzlich unfallversichert. Abgedeckt sind dabei Tätigkeiten, die in der Pflegeversicherung selbst als pflegerische Maßnahmen berücksichtigt werden, Hilfen bei der Haushaltsausführung sowie der direkte Hin- und Rückweg zum Ort der Pflegetätigkeit.
Voraussetzung dafür ist eine nicht erwerbstätige Pflege einer Person mit einem Pflegegrad von mindestens 2 im häuslichen Umfeld mit einer Pflegezeit von mindestens 10 Stunden pro Woche an zwei oder mehr unterschiedlichen Tagen.
Zuschüsse für Pflegehilfsmittel
Sobald ein Pflegegrad festgestellt wird, stehen der pflegebedürftigen Person Zuschüsse für verbrauchbare und für technische Pflegehilfsmittel zu.
Zu den verbrauchbaren Pflegehilfsmitteln zählen Verbrauchsmaterialien wie Einmalhandschuhe, Desinfektionsmittel, Betteinlagen und Masken. Monatlich stellt die Pflegekasse Aufwendungen in Höhe von 42 Euro dafür zur Verfügung. Um den Zuschuss zu erhalten, müssen Sie einen Antrag bei der Pflegekasse stellen und können entweder rückwirkend über Vorlage von Quittungen den Betrag erstattet bekommen oder eine Pflegebox über einen Anbieter wie SHS direkt bei der Pflegekasse abrechnen lassen.
Zu den technischen Pflegehilfsmitteln zählt beispielsweise ein Pflegebett, Lagerungshilfen oder Notrufsysteme wie die von SHS. Die Kosten werden von der Pflegekasse übernommen, wenn das Pflegehilfsmittel zur Erleichterung der Pflege beiträgt, Beschwerden lindert oder dem Pflegebedürftigen ein selbstständigeres Leben ermöglicht. Der Kostenübernahmeantrag wird dafür bei ihrer jeweiligen Krankenkasse eingereicht.
SHS Hausnotruf
- Mehr Sicherheit für Zuhause
Komplett kostenfrei ab Pflegegrad 1 bei Kostenübernahme
Zinsloses, staatliches Darlehen
Während der Pflegezeit und der Familienpflegezeit besteht für pflegende Angehörige die Möglichkeit, ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben zu beantragen, um das ausgefallene Nettoarbeitsentgelt auszugleichen. Die Auszahlung des Darlehens erfolgt monatlich. Der Betrag wird auf Basis des Nettoentgelts vor und während der Freistellung berechnet und ist unmittelbar nach Ende der Freistellung in gleichmäßigen Raten zurückzuzahlen.
Kurse zur Pflege & Betreuung
Wenn Sie gerade in die Pflege eines Angehörigen starten, sind Sie nicht allein. Pflegeversicherungen bieten kostenlose Pflegekurse an, die Sie auf die Tätigkeit als pflegenden Angehörigen vorbereiten und die Betreuung Zuhause erleichtern sollen. Inhalte die vermittelt werden beziehen sich hauptsächlich auf Fähigkeiten zur selbstständigen Pflege Zuhause und die Vorbeugung oder Minderung von seelischen & körperlichen Belastungen durch eine Pflegetätigkeit. Weitere Anbieter dieser Kurse sind Sozialstationen, Pflegedienste, Wohlfahrtsverbände und Volkshochschulen.
Regelmäßige Beratungsbesuche
Ab Pflegegrad 2 finden halbjährlich oder vierteljährliche gesetzlich vorgeschriebene Beratungsbesuche mit einer Pflegekraft statt. Der Sinn dahinter ist, die Pflegequalität zu sichern, eine Überlastung der Angehörigen frühzeitig zu erkennen und mögliche Tipps und Entlastungsmöglichkeiten zu identifizieren. Bei Pflegegrad 1 besteht die Möglichkeit zwei freiwillige Beratungsbesuche im Jahr wahrzunehmen, um Unterstützung zu bekommen und mögliche Fragen zu klären.
Nutzen Sie diese Möglichkeiten, um konkrete Tipps zu Ihrer Pflegesituation zu erhalten. Machen Sie sich im Vorfeld Notizen, was Sie mit der Pflegekraft besprechen möchten, damit nichts unter geht.