Wenn sich der Gesundheitszustand eines Pflegebedürftigen verändert, reicht der bisherige Pflegegrad oft nicht mehr aus. Der Pflegeaufwand steigt und führt durch die zunehmenden Kosten und den steigenden Zeitaufwand häufig zu einer Mehrbelastung der Angehörigen.
In solchen Fällen kann eine Pflegegrad-Hochstufung helfen, finanzielle und organisatorische Unterstützung zu sichern, um den Pflegealltag zu erleichtern. Die Neubewertung des Pflegegrads kann alle 6 Monate vorgenommen werden. Sollte sich vor Ablauf dieser Zeit der Zustand der gepflegter Person stark verschlechtert haben, ist auch eine frühere Neueinstufung möglich.
In diesem Artikel erklären wir Ihnen Schritt für Schritt, wie Sie eine Höherstufung beantragen, wann sie sinnvoll ist und worauf Sie achten sollten.
Was bedeutet eine Pflegegrad-Hochstufung?
Eine Pflegegrad-Hochstufung ist eine erneute Begutachtung des Pflegebedarfs durch den Medizinischen Dienst (MD) oder Medicproof (bei Privatversicherten). Sie kann dazu führen, dass ein höherer Pflegegrad anerkannt wird, z. B. von Pflegegrad 2 auf 3, und damit auch mehr Leistungen durch die Pflegekasse übernommen werden.
Pflegeleistungen, die steigen können:
- Pflegegeld (für häusliche Pflege durch Angehörige)
- Pflegesachleistungen (für ambulante Pflegedienste)
- Entlastungsbetrag (125 € monatlich, bleibt konstant)
- Kurzzeitpflege, Verhinderungspflege, Wohnraumanpassung
Je höher der Pflegegrad, desto größer die finanzielle Unterstützung und der Zugang zu zusätzlichen Hilfen, wie z. B. Hausnotrufsystemen, Pflegehilfsmitteln oder Tagespflege.
Wann ist eine Höherstufung sinnvoll?
Eine Höherstufung sollte beantragt werden, wenn sich der Pflegebedarf dauerhaft erhöht hat. Also nicht nur vorübergehend, etwa durch eine Grippe oder OP.
Typische Situationen:
- Zunehmende körperliche Einschränkungen (z. B. Mobilität, Sturzrisiko, Demenz)
- Höherer Unterstützungsbedarf im Alltag (Essen, Hygiene, Anziehen, Medikamente)
- Verhaltensänderungen durch Demenz oder psychische Erkrankungen
- Steigende Belastung der Angehörigen, die Pflege dauert deutlich länger als zuvor
💡 Faustregel: Wenn sich der Zeitaufwand oder Unterstützungsbedarf über mehrere Wochen spürbar erhöht, lohnt sich der Antrag.
Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Pflegegrad-Hochstufung
Schritt 1: Antrag bei der Pflegekasse stellen
Um eine Höherstufung des Pflegegrads zu beantragen, muss zunächst Ihre Pflegekasse informiert werden. Der Antrag kann formlos erfolgen, zum Beispiel per Brief, E-Mail oder Telefon an die zuständige Pflegekasse, welche bei einer gesetzlichen Versicherung gleich Ihrer Krankenkasse ist. Viele Pflegekassen bieten außerdem die Möglichkeit, den Antrag über ein dafür vorgesehenes Online Formular zu senden.
Beispieltext:
„Hiermit beantrage ich eine erneute Begutachtung zur Überprüfung des Pflegegrades für [Name, Geburtsdatum].“
Nach Eingang Ihrer Anfrage wird von der Pflegekasse ein Gutachter des Medizinischen Dienstes oder Medicproof beauftragt, welcher sich zur Vereinbarung eines Hausbesuchs bei Ihnen meldet.
Schritt 2: Pflegeprotokoll führen
Um eine möglichst realistische Einschätzung des Pflegeaufwands zu geben, sollten Sie 1-2 Wochen bevor der Gutachter vom Medizinischen Dienst oder Medicproof vorbei kommt, ein Pflegetagebuch führen. Dabei sollte genau aufgeführt werden, bei welchen Aufgaben die gepflegte Person Unterstützung benötigt. Beachten Sie dabei folgende Überthemen:
- – Körperpflege (Waschen, Duschen, Anziehen)
- – Ernährung (Mahlzeiten, Trinken)
- – Mobilität (Aufstehen, Gehen, Sturzrisiko)
- – Medikamenteneinnahme, Orientierung, Kommunikation
Schritt 3: Begutachtung durch den Medizinischen Dienst
Ein Gutachter besucht den Pflegebedürftigen zu Hause oder in der Einrichtung. Die pflegenden Personen sollten dabei anwesend sein. Er prüft anhand von sechs Lebensbereichen den Pflegebedarf:
- Mobilität
- Kognitive & kommunikative Fähigkeiten
- Verhaltensweisen & psychische Problemlagen
- Selbstversorgung
- Krankheits- & therapiebedingte Anforderungen
- Alltagsgestaltung & soziale Kontakte
Zusätzlich werden auch die Bereiche “außerhäusliche Aktivitäten” und “Haushaltsführung” aufgenommen. Sie fließen jedoch nicht in die Gesamtbewertung ein. Je nach Punktzahl wird dann ein Pflegegrad zwischen 1 und 5 festgelegt.
Schritt 4: Ergebnis & Widerspruch
Sie erhalten in der Regel 1-2 Wochen nach dem Gutachten einen schriftlichen Bescheid der Pflegekasse, der Ihnen den neuen Pflegegrad mitteilt.
Sind Sie nicht einverstanden mit dem Ergebnis, kann innerhalb von 1 Monat Widerspruch eingelegt werden. Der Monat startet ab dem Datum der Zustellung des Bescheids. Der Widerspruch muss der Pflegekasse schriftlich mitgeteilt und von der pflegebedürftigen Person selbst oder einer bevollmächtigten Person verfasst werden.
Wichtig ist, dass Sie eine Begründung des Widerspruchs abgeben. Diese kann auch nach dem ersten Widerspruchsschreiben nachgereicht werden, das sollte jedoch unbedingt im Widerspruchsschreiben angekündigt werden. Als Basis der Begründung sollten Sie sich das erstellte Pflegegutachten anschauen. Falls Sie das Gutachten nicht bereits zusammen mit dem Bescheid erhalten haben, sollten Sie dies unverzüglich anfordern. Außerdem ist es sinnvoll sich Hilfe von Ärzten, Pflegekräften oder Pflegeberatern zu holen, die das Gutachten mit Ihnen sichten und den höheren Pflegebedarf attestieren können.
Welche Vorteile bringt eine Höherstufung?
Ein höherer Pflegegrad bedeutet meist deutlich mehr finanzielle Unterstützung.
Pflegegrad
2
3
4
5
Pflegegeld (häuslich)
332 €
573 €
765 €
947 €
Pflegesachleistungen (Pflegedienst)
761 €
1.432 €
1.778 €
2.200 €
Zusätzlich können Sie Anspruch auf folgende Leistungen erhalten, die Sie im Alltag entlasten:
- – Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege (bis zu 3.539 € jährlich)
- – Tages- und Nachtpflege (bis zu 2.085 € jährlich)
- – Pflegehilfsmittelpauschale (42 € monatlich)
- – Hausnotrufgeräte, die von der Pflegekasse bezuschusst werden
Fazit: Eine Höherstufung lohnt sich, aber die Vorbereitung ist entscheidend.
Eine Pflegegrad-Hochstufung ist kein bürokratischer Aufwand, sondern ein Recht, wenn sich der Zustand verschlechtert hat.
Wichtig ist es, den Antrag gut vorzubereiten und die Pflegesituation realistisch zu dokumentieren. Nur so können Sie Leistungen erhalten, die wirklich notwendig sind, und entlasten sich und Ihre Angehörigen spürbar.